Unser Seminar besteht aus 2 Atemeinheiten, umspannt und ergänzt von mehreren Teilen wie z.B. Meditationen, Tanz, Nachbearbeitung, Bildbesprechung, Sharing, Rundenreflexion und Gruppenarbeit.
Eine Atemeinheit läuft dabei – wie folgt – ab: Die Dauer beträgt 2 - 4 Stunden und sie findet in einem großen abgedunkelten Raum im Kreise der gesamten Gruppe + TrainerInnen (LeiterInnen und AssistentInnen) auf den sogenannten Ateminseln statt, das sind zusammengeschobene Matten (2-3), wobei jeder atmenden Person in der jeweiligen Einheit eine solche Insel zur Verfügung steht. Diese sind durch Zwischenräume voneinander abgegrenzt. Der Atemprozess verläuft grundsätzlich und überwiegend auf einer solchen "Insel" bzw. im direktesten Umkreis davon, damit ist ein "privater" Intimitätsrahmen gesichert. Vorweg wurden Atempaare gebildet, wobei dann eine Person mit der Atemsequenz am Vormittag beginnt. Die andere Person des Paares übernimmt hierbei die Funktion des Sitters/ der Sitterin. Diese Rollen (AtmendeR, SitterIn) werden dann für die Atemeinheit am Nachmittag getauscht. SitterIn zu sein heißt für den/die Atmende/n als Erst-Kontaktperson unterstützend zu sein. Aufgaben hierbei sind z.B.: - das Bewahren des Ateminselraums, damit die atmende Person nicht in einer möglichen heftigen Bewegung den sicheren Rahmen verlässt.
- Decken oder Taschentücher zu reichen, - TrainerInnen zu holen, - Atmende zur Toilette zu begleiten etc.
TeilnehmerInnen, die das Atmen noch nicht kennen, schrecken manchmal vor der Sitter-Rolle zurück, aus Angst, Fehler zu begehen. Grundsätzlich ist aber in dieser Funktion oft "weniger mehr" und die einfache Anwesenheit im Abstand von etwa 1-2 Metern und das achtgebende Gewahr-Sein gibt den Atmenden ein Gefühl von Sicherheit und ermöglicht ein leichteres Loslassen auf der derart von außen "bewachten" Ateminsel.
Die Atemarbeit beginnt dann für die Atmenden am Rücken liegend (Sitter sitzen im Abstand bequem daneben) und mit einer von unserer Seite geführten, gesprochenen Entspannungseinleitung. Der Raum ist dunkel, aber nicht stockdunkel. Die Augen sind zunehmend geschlossen oder auch von einer Augenbinde bedeckt. Die Entspannung soll etwaiger Aufregung und damit Anspannung entgegenwirken und macht Körper wie auch Bewusstsein für den nachfolgenden Prozess offener. Dabei ist leise, ruhige Musik im Hintergrund zu hören. Erst mit der klaren Einladung, nun "holotrop", d.h. intensiver, tiefer, schneller, durchgängiger zu atmen, wird der eigentliche Atemprozess begonnen. Die Musik wird dabei deutlich lauter und antreibender und dient hier wie in ihren weiteren unterschiedlichen Phasen als Hilfsmittel, um immer wieder darin eine entsprechende Dynamik und einen Bezugspunkt zur Verdichtung oder später Auflösung des Atemprozesses zu finden. Die musikalische Begleitung wird als "evokativ" (also "hervorrufend") bezeichnet und bleibt grundsätzlich eher laut, um zusätzlich den gesamten Raum auch akustisch einzuhüllen und damit vor möglichen Geräuschen von außen, aber auch von anderen Ateminseln "abzuschirmen".
Durch das intensivierte Atmen, ganz ähnlich der Hyperventilation, können körperliche Reaktionen auftreten wie starkes Kribbeln um den Mund und in den Extremitäten. Eine weitere Folge ist mitunter das Verspannen vornehmlich der Hände in die sogenannte "Pfötchenstellung". Diese Erscheinungen sind unbedenklich und verschwinden von selbst wieder, eventuelle Spannungen lassen sich meist auch durch Massieren (ev. durch SitterIn) beseitigen. Hervorgerufen werden sie durch die durch die beschleunigte Atmung hervorgerufene Veränderung des Kohlensäure- bzw. Calciumanteils im Blut. Zudem wird auch der Säure-Basehaushalt stärker ins Basische verschoben. All diese Reaktionen sind vorübergehend und keineswegs gefährdend für die Gesundheit, diese können aber auftreten, bis sich der Körperstoffwechsel neu stabilisiert.
Schwindelgefühle können auftreten, ebenso starkes Kälte- bzw. Hitzeempfinden. Das Zeitgefühl verändert sich. Es tritt über kurz oder länger ein veränderter Bewusstseinszustand ein, der grundsätzlich auch das Ziel dieser Methode ist. Es ist dabei wichtig, nicht unbedingt eine sehr plötzliche Wahrnehmungsveränderung zu erwarten. Die ersten 15 bis durchaus auch mehr als 30 Minuten können dem intensivierten Atmen gewidmet sein. Dabei ist es möglich, dass sich auch bereits hier Körperblockaden zeigen, die mit dem Atmen selbst überwunden werden. Durch die Fokussierung auf das tiefe, beschleunigte Atmen geht es um die öffnende, kathartische Wirkung gegenüber möglichen Abwehrmechanismen und "Panzerungen" im Emotionalen, Körperlichen und Gedanklichen. Die Antwort in dieser Phase des Atemprozesses ist das Atmen selbst, ohne in zuviel Ersatzhandlung, Gefühl oder Denken zu verfallen. Weiters geht es dann darum, nicht durch zu rasche Bewertung, Analyse, Interpretation oder auch emotionales Ausagieren das "Tiefer-Kommen" zu behindern. Es hat sich bewährt, jegliche Gefühle, Gedanken oder Impulse anzunehmen und in deren Auftauchen hinein weiter zu atmen, d.h. sie als das zu akzeptieren, was sich gerade zeigt, und dieses damit als die nächste Sprosse auf einem Kletterweg zu verstehen, egal, worauf sich dieser Eindruck beziehen mag (etwa Ärger auf die momentane Situation, Zweifel an der Methode oder an sich selbst, ein Impuls, sich zu verstecken, die Vorstellung, jemandem im Raum die Meinung zu sagen, das innere Ringen, welcher nächste Schritt nun womöglich der beste sei,...).
Irgendwann tritt dann das intensivierte Atmen ganz natürlich in den Hintergrund. Ein anderer Bewusstseinszustand kann erreicht sein. Das muss nicht dramatisch auftreten, kann in jeder erdenklichen Qualität auftauchen, begleitet von sanften bis starken Eindrücken (Bildern, Farben, Erinnerungen, Erfahrungen, Gefühlen, Körperwahrnehmungen, Empfindungen, Impulsen,...). Das tiefere Atmen selbst kann immer wieder als Mittel zur Verdichtung verwendet werden. Vielleicht sind Veränderungen in der Haltung bzw. Stellung des Körpers angezeigt. Vielleicht taucht der Impuls auf, Kontakt mit dem Sitter/ der Sitterin aufzunehmen, um etwas zu bekommen oder zu zeigen. Vielleicht ist es gut, Laute, die Stimme an sich zu verwenden und aus dem Körperempfinden zu schöpfen.
Während der gesamten Atemeinheit sind wir TrainerInnen beobachtend bis eingreifend im Raum. Meist ist jemand von uns sofort verfügbar, wenn Atmende nach uns fragen oder auch SitterInnen unsere Unterstützung brauchen. Wir gehen dann in Kontakt über Berührung, Handlung, Worte. Es ist manchmal über einfaches verbales Kommunizieren ein weiteres Vorgehen oder "im Prozess Dranbleiben" zu eruieren, manchmal ist es ein Zusammenkommen über Berührungen, Halten, Stützen, Druck ohne Worte. Mögliche Impulse, die sich auch in Bewegungen zeigen, werden ausprobiert und es wird ein sicherer Rahmen dafür angeboten. Die Körperinterventionen, die wir TrainerInnen setzen, können auch sehr starke, kontrollierte Drucksequenzen auf Körper-/Muskelpanzerungen der atmenden Person sein. Dieses Durcharbeiten durch die Körperblockaden ermöglicht oft ein Entladen der dort gehaltenen, verdrängten seelisch-emotionalen Inhalte, um über die dort enthaltene Impulskraft wieder in die eigene Lebendigkeit und den eigenen Ausdruck zu gelangen.
Wenn in irgendeiner Erfahrung mehrere Personen als Unterstützung gebraucht werden, können zudem auch SitterInnen von Nebeninseln aushelfen, auch darin, mitunter den Blick auf die Ateminsel daneben zu haben, wenn ein Sitter/ eine SitterIn die Toilette besucht oder eben helfend im Einsatz ist.
Ein wichtige über alle Situationen erhabene Intervention ist die Stopp-Regel: In jeder Interaktion ist es für jede Person möglich, durch ein verbal ausgesprochenes "Stopp" jeden Vorgang mit anderen Personen zu unterbrechen. Es ist wichtig, dieses "Stopp" dabei nicht gegen "Halt", "Nein", Warum?!" oder Derartiges auszutauschen. Da bei tiefen Prozessen oftmals auch heftiges Agieren (Über Worte, Bewegungen, Handlungen) auftreten kann, in dem auch Abgrenzungen und Beschimpfungen seitens der Atmenden vorkommen, in diesen Fällen aber gerade keine Unterbrechung angezeigt ist, da es gerade das Weitere Tun braucht, reagieren wir nur auf "Stopp" mit ausnahmslosem Stopp.
Die Prozesse im Holotropen Atmen verlaufen sehr unterschiedlich. Nicht die Dramatik und Heftigkeit ist dabei grundsätzlich entscheidend, auch sehr ruhige, körperlich unbewegte und scheinbar unauffällige Atemeinheiten können wesentlich für die erfahrende Person sein. Es geht also nicht darum, es einer auf der Nebeninsel stattfindenden lautstarken oder sichtbar bewegten Umsetzung gleichzumachen. Sollte dadurch ein Anstoß gegeben sein, der dem momentanen inneren Prozess entspricht, könnte es passen. Ansonsten ist es gerade die Offenheit gegenüber der Einzigartigkeit jedes Atemverlaufes, die das Holotrope Atmen als wichtige Grundhaltung für sich beansprucht. Es kann auch sein, dass mehrere Verdichtungen im Laufe einer Atemeinheit auftreten. Durch immer wieder aufgenommenes intensiviertes Atmen wird ein tiefer Anschluss an die momentane innere Situation ermöglicht, der eine weitere Öffnung bewirken kann.
Das Besuchen der Toilette während der Atemeinheiten ist für Atmende nur in Begleitung der jeweiligen SitterInnen möglich. Die oft tiefe Bewusstseins- veränderung kann leicht unterschätzt und die eigene Stabilität im aufrechten Gang zum WC überschätzt werden. Die SitterInnen warten dann vor der Tür zur Toilette (Atmende sperren bitte die WC-Tür nicht ab) und nehmen dann ihre Schützlinge wieder in Empfang, um sie wohl behalten zur Ateminsel zurückzuführen.
SitterInnen können natürlich auch die Toilette besuchen, müssen dazu aber immer jemanden damit beauftragen, sich währenddessen um die atmende Person auf der Insel zu kümmern. Ein anderes Verlassen der Sitter-Rolle (z.B. um zu rauchen oder auf das Zimmer zu gehen etc.) ist nicht möglich bzw. notfalls unbedingt mit uns vor dem Weggehen abzuklären.
Grundsätzlich ist es hilfreich, während des Atemprozesses aufkommende Erfahrungen nicht zu schnell in ein rationales, verstehendes Korsett zu drängen. Es können z.B. Körperempfindungen auftreten, pränatale Zustände, spirituelle Bezüge, die keine momentane Einordnung in der eigenen Vorstellung hervorrufen. Erkenntnisse auf kognitiver Ebene stellen sich oft erst in späteren Seminarsequenzen ein oder bleiben vorerst auch aus. Stattdessen zeigen sich Prozesse und Veränderungen auf rein körperlicher, emotionaler Ebene, ohne (noch) genaue biografische oder logische Zusammenhänge preiszugeben. Oftmals ist gerade das Durchleben der beim Atmen auftretenden "Zustände" bedeutsam, die ein befreites Grundgefühl erzeugen, ohne bereits klar zu haben, woher, wohin und wozu dieses im Leben in Verbindung kommen könnte. Die große Herausforderung schon während des Atmens ist also das möglichst bewertungs- und rationalisierungsfreie Annehmen dessen, was sich eben zeigt.
Das Ende einer Atemeinheit ist nicht genau vorgegeben. JedeR Atmende beschließt für sich selbst den Atemprozess. Auch angetriggert durch die Musik verändert sich der Bewusstseinszustand wieder zurück in den bekannten Modus. Das gewohnte "Wahrnehmen" kommt weitgehend zurück, obwohl sicherlich noch stark angereichert durch die gerade gewonnenen Erfahrungen. Es ist gut, sich noch Zeit zu geben, das Fortwirken des Prozesses in der geschützten Atmosphäre des Raumes und eingehüllt in die Musik weiterklingen zu lassen. Zudem stehen für etwaige weitere aufkommende Erfahrungen, die vielleicht noch ein Weiterarbeiten im Moment erfordern, wir TrainerInnen zur unmittelbaren Verfügung.
In jedem Fall ist der Prozess damit im Raum zu beenden, dass jedeR Atmende ein intuitives Bild malt. Dieser Malprozess ist wichtiger Abschluss der Atemeinheit, um die Erfahrung in einer zusätzlichen Symbolik innerlich und äußerlich zu verankern. Es geht dabei keineswegs um naturalistische, logische oder gar besonders begabte Darstellung. Der Akt des Malens sollte wieder aus dem Impuls, aus einer intuitiven, tiefen Ebene des Erlebens kommen, nicht aus dem kognitiven Zugang zur eigenen Erfahrung. Daher ist auch hier Bewerten, Interpretieren, Analysieren möglichst auszulassen. Dieses Bild ist zudem gewissermaßen ein Notizzettel für die Erfahrung, die zu diesem Zeitpunkt noch sehr präsent ist, vielleicht aber schon am nächsten Tag leichter über diese "Malnotiz" erinnert werden kann. Für das Malen holen die SitterInnen von uns bereit gestellte Kerzen, damit ein wenig Licht um das Zeichenblatt herum verfügbar ist.
Nach dem Malen (es können auch mehrere Bilder angefertigt werden) ist es ratsam, noch gut nachzuspüren und im ausklingenden Prozess zu bleiben. Oft treten dann erneut Spannungen oder Impulse auf, der holotrope Zustand kommt vielleicht noch einmal in den Vordergrund. Es kann auch wieder intensiviert geatmet werden.
Das tatsächliche Ende der Atemeinheit, sobald sich die jeweilige atmende Person dazu entschließt, sollte dann jedenfalls einem Trainer/ einer Trainerin gemeldet werden, um sicher zu stellen, dass keine manifesten Blockaden im Körper oder auch keine momentan ungelösten emotionalen Spannungen übersehen werden. Sollte es keine Bedenken geben, ist es möglich, leise den Raum zu verlassen und (je nach Uhrzeit) sich auch schon zum Essen zu begeben. Sollte nach dem Verlassen des Raumes doch noch klar werden, dass ein Weiterarbeiten im Prozess nötig wäre, ist es selbstverständlich möglich, wieder auf die Ateminsel zurück zu kehren. SitterInnen sollten also auch einige Zeit nach der Atemeinheit noch ein Auge auf ihre Schützlinge haben.
Die Atmenden verlassen also mit ihren SitterInnen grundsätzlich den Raum nicht in der Gruppe, sondern die Atemeinheiten enden zeitlich individuell. Durch den Buffetbetrieb im Seminarhaus ist es möglich, in einer gewissen Zeitspanne Mittag bzw. Abendessen einzunehmen, welche direkt auf die Atemeinheiten folgen. Sollte der Atemprozess bei einzelnen Personen tatsächlich über diese Zeitspanne hinaus andauern, kümmern wir TrainerInnen uns darum, dass noch Essen für später beiseite gestellt wird.
Gute Reise!